Manager:innen im Unternehmen zu haben, ohne sie ausreichend zur Geltung kommen zu lassen, ist wie einen Rennwagen zu besitzen und ihn nur mit 50 km/h fahren zu lassen. Denn Rennwagen sind nicht dafür gemacht, mit geringer Geschwindigkeit zu fahren. Daher ist es heute für die HR unerlässlich zu wissen, wie man die Professionalität der eigenen Führungskräfte gut zur Geltung bringen kann. Nicht zuletzt um sie zu halten und zu verhindern, dass sie zu anderen Unternehmen abwandern, bei denen sie sich mehr wertgeschätzt fühlen.
Wenn wir von Talent Attraction und Mitarbeiterbindung sprechen, denken wir meistens an Nachwuchskräfte, die wir anlocken oder an uns binden wollen. An Talente also, die erste Arbeitserfahrungen sammeln oder zumindest mit noch ziemlich geringer Berufserfahrung im Gepäck unterwegs sind.
Aber wir sollten den Fokus auch auf das Senior Management richten und fragen: Was motiviert die reiferen Mitarbeiter:innen dazu, mitten in der beruflichen Karriere das Unternehmen zu wechseln? Und wie kann man diesen Tendenzen entgegenwirken?
Dieses Thema wollen wir im vorliegenden Artikel auch anhand der Erfahrung unserer Senior Headhunterin Silvia Fiori vertiefen.
Wir haben schon ausführlich über Employer Branding gesprochen. Zudem haben wir gesehen, wie wichtig es für den Bereich HR ist, auf die Employee Experience zu achten, indem man alle Lebensphasen der vorhandenen Ressourcen im richtigen Maß miteinbezieht.
Aber während man immer häufiger darüber spricht, wie man die neue Generation Arbeitnehmer:innen in die Unternehmen locken kann, denkt man nur selten über die Erwerbstätigen nach, die sich schon in der Mitte ihres Karrierewegs befinden. Die älteren und höheren Führungskräfte, um es klar auszudrücken. Diejenigen, die man unbedingt halten sollte, weil sie mit ihrer Expertise die Führung der neuen Generation übernehmen können.
Und unter diesen Senior Manager:innen verstehen wir in diesem Artikel im Wesentlichen die Generation X, also Personen, die in den Siebziger- und Achtzigerjahren geboren wurden.
Wie können Sie als HR-Manager:in nun verhindern, dass diese Führungskräfte in andere Unternehmen abwandern, weil sie mit ihrer Rolle und ihrer Firma unzufrieden sind?
Aber diese Punkte sind nur einige Beispiele. Um Initiativen zu starten, die den unterschiedlichen Wünschen der eigenen Ressourcen entgegenkommen, ist es hilfreich, die Zielgruppe zu befragen, um zu erkennen, was die Menschen in den verschiedenen Phasen der Karriere brauchen. Man sammelt die Antworten, anschließend entwirft man mögliche Lösungen, überprüft sie und analysiert wissenschaftlich die erzielten Ergebnisse. Auf diese Art und Weise können Sie als HR Ihre Talent-Attraction- und Retention-Strategien zudem auf konkrete Nachweise stützen und der Unternehmensführung die objektive Daten zeigen, auf denen Sie Ihre Projekte aufbauen. Im Gegenzug werden Sie Vertrauen, Unabhängigkeit und das Budget für die Durchführung derselben bekommen.
Gehen wir noch ein wenig mehr ins Detail. Nach diesen einführenden Überlegungen wollen wir jemanden fragen, der jeden Tag ganz direkt mit diesem Thema zu tun hat und weiß, wodurch die beruflichen Entscheidungen von Führungskräften gelenkt werden.
Wir übergeben daher das Wort an Silvia Fiori, Senior Headhunterin bei Reverse, die über eine Menge Erfahrung bei der Suche nach Führungsprofilen verfügt.
„Die Gründe, die Führungskräfte dazu motivieren, das Unternehmen zu wechseln, lassen sich in einer Altersstufe ab 40/45 Jahren und älter auf Angehörige des höheren und mittleren Managements übertragen, und zwar aus jedem Bereich und bis hin zu C-Level-Profilen.
Da die Gehaltskomponente auf allen beruflichen Ebenen eine wichtige Variable ist und bleibt, gibt es meiner Erfahrung nach im Wesentlichen drei Gründe, die Führungskräfte dazu bewegen, sich nach neuen beruflichen Möglichkeiten umzuschauen bzw. sie zu suchen:
Ein weiterer zentraler Punkt, der alle Führungskräfte betrifft, besteht darin, dass sie wiederentdeckt haben, wie wichtig das Gleichgewicht zwischen beruflichem und privatem Leben ist.
Die Prioritäten haben sich geändert und das Gewicht, das heute dem eigenen Privat- und Familienleben beigemessen wird, wird immer größer.
Der Ruf eines Unternehmens bezüglich seiner Arbeitsatmosphäre und den Bedingungen, wie dort gearbeitet wird, wird immer wichtiger: das Prestige der Marke allein reicht nicht mehr aus.
Heute erwartet man konkrete Pläne, Entwicklungsperspektiven, Fortbildung, klar definierte Rollen und Well-being-Programme, die das Leben der Mitarbeiter:innen im Ganzen in den Blick nehmen.
Ein großer Name des Unternehmens, für das man arbeitet, ist im Vergleich zu den mehr oder weniger günstigen Arbeitsbedingungen dort nicht mehr so wichtig.
Was würde ich also abschließend antworten auf die Frage: Wie kann man Führungskräfte im Unternehmen halten? Ich würde sagen, dass das Gehalt wichtig, aber nicht ausreichend ist. Diese Personen müssen zufrieden sein, sich vom Unternehmen, für das sie arbeiten, angeregt und wertgeschätzt fühlen.
Was wirklich zählt, ist, dass man Zusagen einhält, ihnen neben einem ordentlichen Gehalt auch herausfordernde Projekte gibt, ihrer Rolle einen angemessenen Wert beimisst und eine Work-Life-Balance sicherstellt, die ihren neuen Bedürfnissen entspricht.
Wenn man ihnen den Raum nicht gibt, den sie verdienen, gehen sie und suchen ihn anderswo.“
Am Ende dieses Exkurses angelangt wissen wir also, dass Unternehmen unbedingt Rennwagen brauchen, diese aber auch unbedingt schnell fahren lassen müssen. Aber weg von der Metapher: Führungskräfte müssen sich des Wertes ihrer Rolle sicher sein können, in einer so wandelbaren Welt wie der heutigen um so mehr. Und wir sprechen nicht von der Sicherheit bezüglich des „Prestiges“ ihrer Position: Was wir meinen, ist ein konkretes Bedürfnis, sich selbst zu erproben, Projekte zu leiten, die die Verantwortung anregen, und den Stab an die Führungskräfte der Zukunft weiterzugeben.
Die Aufgabe von HR ist es dabei, dieses fragile Gleichgewicht zu finden und zu halten: Auf der einen Seite die Führungskräfte halten, indem man dafür sorgt, dass sie sich nicht zurückgestuft fühlen, sondern immer als Träger von Projekten, die von großer Bedeutung für das Unternehmen sind; und auf der anderen Seite starke Synergien zwischen diesen Führungskräften und dem Nachwuchs erzeugen, damit sie bei der Leitung der ihnen anvertrauten Projekte ihr Wissen an die neuen, vielversprechenden Talente weitergeben können.
Die Verbindung der Erfahrung der Seniors mit dem digitalen und innovativen Ansatz der Juniors wird nicht nur für das gesamte Unternehmen enorm gewinnbringend sein, sondern auch eine Motivation für beide Seiten, im Unternehmen zu bleiben: Denn man weiß schließlich, wo Kompetenzen (mit)geteilt werden, ist ein berufliches Vorankommen möglich und so entsteht der Wunsch, auf lange Zeit im Unternehmen zu bleiben.