Was versteht man unter OKR und warum kann diese Methode die Wende für Ihr zielorientiertes Arbeiten bringen?
In diesen Zeiten, in denen alle, freiwillig oder gezwungenermaßen, die Möglichkeiten des Smart Working erkennen, ist es strategisch umso wichtiger, das zielorientierte Arbeiten gut zu organisieren.
Jede:r Manager:in muss in der Lage sein, die Arbeit des eigenen Teams problemlos auch remote zu steuern, und die Unternehmen müssen sich mit den geeigneten Strukturen versorgen, um diesen Prozess bestmöglich zu unterstützen.
In diesem Artikel finden Sie erste Hinweise dazu, wie und warum die OKR-Methode eine optimale Antwort auf diese neue Welt ist, die wir gerade erst anfangen zu erleben und zu entdecken.
OKR (Objective and Key Results) ist eine zielorientierte Management-Methode, die sich auf zwei klar voneinander getrennte Elemente stützt: Das erste ist das Objective, also das übergeordnete Ziel, das erreicht werden soll, und das zweite sind die Key Results, also konkrete Aktivitäten, die unternommen werden, um das vorgegebene Ziel zu erreichen.
In letzter Zeit wenden immer mehr Unternehmen in ihren Bewertungsprozessen die OKR-Methode an. Denn im Vergleich zu herkömmlichen Methoden, bei denen das Organisationsmodell den einzelnen Arbeitnehmer zu „erdrücken“ scheint, gelingt es über OKR, Anregungen zu geben ohne auf Zahlen fixiert zu sein und die Zusammenarbeit zwischen Einzelpersonen und Team anzukurbeln. So kann das Unternehmen deutlich höher gesteckte Ziele erreichen.
Betrachten wir diese Methode also etwas näher. Erforschen wir, was sie von anderen weitverbreiteten unterscheidet, untersuchen wir ihre Vorteile und beleuchten wir die Hindernisse, auf die ein Unternehmen bei ihrer Einführung stoßen kann.
OKR sind im Vergleich zu KPI und MbO flexibler und ermöglichen es, im Unternehmen erfolgreicher und transparenter zusammenzuarbeiten.
Wie bereits angedeutet können herkömmliche Methoden den Arbeitnehmer „erdrücken“, der die Bewertung seiner Performance „erdulden“ muss. Eine Sales-Managerin beispielsweise ist am Ende des Jahres wohl zu allem bereit, nur um die Zahlen zu erreichen, die ihr ein Jahr zuvor vorgegeben wurden. Übersteigerter Individualismus, Ängste und wenig Flexibilität sind einige der Probleme, die sich aus den alten Methoden ergeben.
Aber was ist nun genau der Unterschied bei OKR und wie schafft die Methode es, sich von den Einschränkungen der herkömmlichen Bewertungsmethoden zu lösen?
"Die KPIs sind wie Kontrolllämpchen auf dem Armaturenbrett des Autos: Wenn sie nicht leuchten, zeigt das an, dass alles in Ordnung ist und funktioniert. Doch sie verhindern nicht, dass das Auto gegen eine Mauer fährt. Mit OKR, insbesondere mit den Key Results, ist es möglich, vor einem Crash die Richtung zu ändern, sobald man ein Hindernis ausgemacht hat." Alessandro Raguseo, CEO Reverse
Das Thema ist komplex und hängt auch stark vom jeweiligen Unternehmen ab, doch das hier sind die Hauptunterschiede zwischen OKR, KPI und MbO:
Die Vorteile von OKR sind eng an diejenigen des zielorientierten Arbeitens geknüpft: Daher muss eine Einführung der Methode im Unternehmen scheitern, sofern man dort noch mit alten Modellen arbeitet, bei denen die Geschäftsführung die Angestellten jeden Tag acht Stunden vor Ort am Schreibtisch sitzen sehen möchte.
Das Unternehmen muss nicht nur eine zielorientierte Kultur pflegen, sondern auch ein eigenes, klar definiertes Langzeitziel haben: Nur wenn alle Mitarbeiter:innen das übergeordnete Unternehmensziel klar vor Augen und verinnerlicht haben und wissen, wohin der Weg für alle gemeinsam führt (manchmal heißt das „Mission“, manchmal „Purpose“), kann man OKR in die Unternehmensprozesse einbinden.
Wenn die Richtung klar ist, geht es Quartal für Quartal darum, die Prioritäten festzulegen. Dabei kann man sowohl für die Mitarbeiter:innen als auch für das Unternehmen einige Vorteile nutzen: Werfen wir einen Blick auf die wichtigsten.
Die OKR jeder Mitarbeiterin, jedes Mitarbeiters oder eines Teams werden mit dem Projektverantwortlichen jedes Quartal vereinbart. Das kann der:die CEO sein, die Managerin oder der Teamleiter sein.
Hat man das Objective festgelegt, entscheidet man gemeinsam darüber, welche Key Results eingesetzt werden sollen, um das besprochene Ziel zu erreichen.
Zwar finden anschließend regelmäßig Follow-ups zum Abgleich statt, doch die Leute sind im Übrigen weitestgehend autonom.
Am Ende des Zeitraums erfolgt die Auswertung. Dabei wird nur gemessen, inwiefern das Objective erfüllt wurde. Die einzelnen Key Results werden nicht begewertet (wobei eine vertiefende Auswertung, wie jeder einzelne Aspekt funktioniert hat, selbstverständlich nicht verboten ist).
Die OKR werden auf einer Skala von 1 bis 10 oder von 1 bis 100 bewertet.
Eine vollständige Erfüllung des Ziels ist nicht gefordert: Erreicht man eine Bewertung mit 10 oder 100, bedeutet das, dass das Ziel nicht ehrgeizig genug war. Wenn die Bewertung allerdings zu niedrig ausfällt, war das Ziel den Fähigkeiten des Mitarbeiters nicht angemessen. Laut John Doerr, der OKR zu Google gebracht hat, sind 70% der ideale Mittelwert: Es geht nicht darum, die volle Punktzahl zu erreichen, sondern das Team oder die Mitarbeiter:innen des Unternehmens zu einer kontinuierlichen Verbesserung anzuspornen.
Machen wir ein praktisches Beispiel.
Das ambitionierte Ziel einer HR-Managerin in einem mittleren Unternehmen im Informatiksektor könnte sein: Das begehrteste Unternehmen bei den unter 30-jährigen Informatiker:innen werden. Das ist nicht unmöglich, aber eine echte Herausforderung, also eine Mission.
Auf die Frage „Wie erreiche ich dieses Ziel?“ richten sind die Key Results. Üblicherweise sind es drei bis fünf für jedes Objective, die das Ziel „stückeln“, um dem gewünschten Ergebnis möglichst nahezukommen. Um in diesem Fall also auf die Frage „Wie kann ich das bei den Informatiker:innen unter 30 begehrteste Unternehmen werden?“ antworten zu können, könnten folgende Key Results verwendet werden:
Wahrscheinlich wird es der HR-Managerin nicht gelingen, zwei Events zu organisieren, sondern nur eines. Und sie wird nicht fünf Feedback-Videos bekommen, sondern drei. Wenn man nun aus einer KPI-Perspektive bewertet, hätte sie die Zielvorgabe nicht erfüllt, während die OKR zu 70% erfüllt sind und damit ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt wurde.
In der Tat war das Ziel auch sehr hochgesteckt und um es zu erreichen wurden große Schritte unternommen. Denn es wurden Aktivitäten in Angriff genommen oder angestoßen, die auch in der Zukunft wirken werden und nicht mit dem Ende des Bewertungszeitraums abgeschlossen sind. Dem Unternehmen haben sich dadurch also viel interessantere Möglichkeiten eröffnet und die HR-Managerin hat für eine herausfordernde Mission gearbeitet, anstatt für die einfache Erfüllung einer Aufgabe.
Wie gesehen, können OKR also auf einzigartige Art und Weise die Unternehmensprozesse verbessern. Doch ihre Implementierung im Unternehmen ist kein Selbstläufer. Insbesondere wenn man von einer traditionellen Organisationstruktur kommt, darf man nicht erwarten, dass die Einführung von OKR der erste Schritt zur Innovation des Unternehmens ist. Denn diese Methode braucht fruchtbaren Boden.
Daher muss vor der Einführung ein Bündel Faktoren berücksichtigt werden, das heißt, jedes Unternehmen muss:
Ein weiterer überaus wichtiger Aspekt: Der Zusammenhang zwischen ökonomischen Anreizen und Zielerreichung ist ein Punkt, der bei diesem Thema für viel Verwirrung sorgt. Doch es ist ganz einfach: Bei der OKR-Methode gibt es diesen Zusammenhang nicht.
Die besten Mitarbeiter:innen auf der Grundlage ihrer Performance zu belohnen ist zwar unabdingbar und auch natürlich, daher vereinbart man erreichbare Ziele. Wenn das Unternehmen jedoch weitreichende Schritte unternehmen und die Mitarbeiter:innen dauerhaft weiterentwickeln will, indem es sie zu ambitionierten Herausforderungen antreibt, kommen OKR ins Spiel.
Man muss also zwei Arten von Zielen unterscheiden: Die einen dienen dazu, den oder die Mitarbeiter:in zu belohnen, die anderen wiederum dienen dem persönlichen und gemeinschaftlichen Wachstum. Es ist also möglich, MbO oder andere Anreizsysteme mit OKR zu ergänzen, wobei die Erfüllung letzterer nicht an ökonomische Belohnungen geknüpft werden dürfen.
Bei Reverse verwenden wir die OKR-Methode sehr erfolgreich. Wir wissen genau, dass die Einführung nicht so einfach und intuitiv ist, wie man meinen könnte: Zu Beginn passieren Fehler, man vereinbart nicht die richtigen Ziele, schafft es nicht, die Ergebnisse sinnvoll auszuwerten. Es ist hilfreich, viel über das Thema zu lesen, sich bei Unternehmen zu erkundigen, die diesen Weg schon beschritten haben, und vor allem in den Dialog mit den eigenen Mitarbeiter:innen zu gehen.
Es gibt noch weitere Punkte, die uns dabei geholfen haben, OKR in unsere Prozesse einzubinden:
Andy Grove, Gründer von Intel, führte 1999 zum ersten Mal die Idee von OKR ein: In seinem Buch „High Output Management” erläutert er, dass er die Key Results mit einem Ziel in Verbindung habe bringen müssen. Denn nur durch deren Analyse sei es möglich zu erkennen, ob ein Unternehmen sein Ziel tatsächlich erreicht hat oder nicht. Ein Jahresziel könne zum Beispiel also in eine Reihe von Key Results aufgeteilt werden, die in den einzelnen zwölf Monaten oder vierteljährlich zu erreichen seien. Dieser Ansatz war zu jenem Zeitpunkt für Intel bedeutend, denn das Unternehmen war enorm gewachsen und es war dringend notwendig, die strategische Planung auf realisierbare Ziele und Zwischenschritte umzustellen.
Diese Idee wurde dann von John Doerr perfektioniert, der zu dieser Zeit bei Intel unter der Leitung von Grove im Bereich Sales tätig war und sie dann zu Google brachte, wo er Mitglied des Boards wurde. In Mountain View wurden OKR also in ihrer aktuellen Definition lebendig und inzwischen arbeiten weltweit alle führenden Unternehmen mit ihnen oder haben mit ihnen gearbeitet: unter anderen LinkedIn, Spotify und Zynga.
Larry Page, Mitbegründer von Google, zeigte sich als absolut von dieser Methode überzeugt und schreibt im Vorwort zu Doerrs Buch „Measure what matters”, der Bibel zum Thema OKR:
"OKRs have helped lead us to 10× growth, many times over. They’ve helped make our crazily bold mission of 'organizing the world’s information' perhaps even achievable. They’ve kept me and the rest of the company on time and on track when it mattered the most."